PIN-Dioden

Nachdem ich mich mehrere Wochen lang mit diesen interessanten Bauteilen beschäftigt habe, hatte ich einige Informationen darüber zusammengetragen. Bei meiner "Odysee" durch Informationsquellen habe ich mit einigen OMs kommuniziert, die ähnlich "unwissend" waren wie ich, und sich mit ähnlichen Problemen herumgeschlagen haben. Da manche der gesammelten Daten nicht so einfach zu finden sind, möchte ich diese Informationen mit Hilfe dieser Seite vor dem "vergessen werden" bewahren.

Das Anfangsproblem

IC-821 2m RX/TX
Es begann damit, daß mein IC-821 eines Abends in einer 2m-Runde plötzlich keine HF mehr auf die Antenne brachte. Seltsam dabei war, daß die eingebaute Leistungsanzeige noch etwas anzeigte, das externe PWR-Meter jedoch nicht... Also kramte ich den Schaltplan hervor, und wollte mich am kommenden Morgen an die Fehlersuche machen. Bevor ich das Gerät aufschraubte, prüfte ich noch ein mal die Ausgangsleistung, und siehe: Der Fehler war wieder "verschwunden"... Also analysierte ich nur den Schaltplan, der in der fraglichen Region (zwischen dem HF-Gleichrichter für die interne Leistungsanzeige und dem Ausgangsfilter) gar nicht so kompliziert aussieht: Die RX/TX-Umschaltung erfolgt mit einer MI407 für die zu sendende HF, und zwei MI308, die im Sendefall dem Empfangszweig kurzschließen. Ja gut, ein paar Schaltdioden, die von einer Steuerspannung geschaltet werden, also nichts Geheimnisvolles.

Der nervige Fehler

Da der Fehler anscheinen nur einmalig auftrat, blieb das Funkgerät im Regal, und wurde weiterhin betrieben. Als der beobachtete Effekt mehrfach (in Intervallen von Wochen) auftrat, "quälte" ich das Gerät mittels längerer Aussendungen mit Maximalleistung (natürlich am Dummyload) oder blies Kältespray durch die Befestigungslöcher des 2m-HF-Anschlusses, um einen eventuellen thermischen Fehler zu provozieren → Keine Reaktion. Na toll! Also konnte ich mir auch den Reparaturauftrag an einen Fachhändler sparen, denn auch dort würde das Gerät wochenlang den Fehler nicht zeigen... Also schraubte ich das Gerät auf, und suchte die Schaltdioden. Da ich die Kiste nicht wochenlag offen betreiben wollte, lötete ich ein paar "Messstrippen" an, wobei ich die HF-führenden Signale mit Drosseln abblockte → mich interessierte ja nur die Steuerspannung. Die dünnen Litzen ließen sich recht einfach durch ein Befestigungsloch der HF-Buchse nach aussen führen. Nach dem Verschrauben des Gehäuses kam das Gerät wieder ins Regal. Eine erste Messung (im funktionierenden Zustand) ergab im Empfangsbetrieb eine Spannung von etwa null Volt an allen drei Messpunkten (Punkte "A", "B", und "C" im obigen Schaltplan). Na gut, solange keine HF aus dem PA-Modul kommt, mag das gehen, denn die von der Antenne empfangene HF wird wohl immer klein genug sein, um die Dioden nicht aufsteuern zu können. Im Sendebetrieb lagen an "A" und "B" etwa 1.7V, und an "C" etwa 0.75V, also etwa die Werte, die man bei einer Reihenschaltung von stromdurchflossenen Dioden erwarten kann. Aber Moment mal... Wieso wird dabei die HF (die bei den angegebenen maximal 40W etwa 45Veff, also ca. 127Vss betragen sollte) nicht gleichgerichtet, bzw. gerät nicht (während der negativen Halbwelle) den Empfangszweig? Eine Analyse des Schaltplans ergab, daß die Steuerspannung (Eingang "RX/TX" im obigen Schaltplan) maximal 9V betragen kann, und somit fast immer kleiner ist als die HF-Wechselspannung. Sollte das etwas mit der "PIN-Eigenschaft" der verwendeten Dioden zu tun haben?
IC-821 2m PA
IC-821 2m PA Messleitungen

Wie funtionieren eigentlich PIN-Dioden?

Rekombination
Die Funktionsweise "normaler" Siliziumdioden sollte jedem Funkamateuer bekannt sein: Sie bestehen aus zwei Schichten unterschiedlich dotiertem (mit anderen Elementen, wie z.B. Aluminium oder Phosphor "gezielt verunreinigtem") Siliziums, einer "P"-Schicht, in der sich weniger freie (bewegungsfähige) Elektronen befinden, als in einem undotierten Siliziumkristall, und einer "N"-Schicht, in der sich mehr Elektronen befinden. An der Grenzstelle der beiden Schichten wandern die überschüssigen Elektronen aus der N-Schicht in die P-Schicht, und bilden so eine "neutrale" Zone. Da sich dabei jedoch ein Ungleichgewicht der Ladungsträger im allgemein neutralen Kristallgitter ergibt, entsteht eine Spannung (und damit auch ein elektrisches Feld) zwischen den beiden Schichten, was einen weiteren (vollständigen) Elektronenaustausch verhindert. Genauer betrachtet, entsteht eine Schicht (die Sperrschicht) in dem Kristall, in der sich keine beweglichen Ladungsträger (also überschüssige oder fehlende Elektronen) mehr befinden, also im Prinzip ein Nichtleiter/Isolator.
Stromfluss
Erst eine extern (in Leitrichtung) angelegte Spannung drängt die "gewanderten" Elektronen wieder zurück in Schicht, aus der sie kamen, und erzeugt so wieder einen Kristall, in dem sich überall bewegliche Ladungsträger befinden, und der somit leiten kann. Eine extern angelegte Spannung in Sperrichtung verbreitert die Sperrschicht, und macht die Diode noch weniger leitfähig.
 
Auch eine "normale" Diode kann zum Schalten von Hochfrequenz verwendet werde, was z.B. in Empfangskreisen und Ringmodulatoren Anwendung findet. Dabei ist es jedoch notwendig, daß der HF eine Gleichspannung überlagert wird, damit die Diode zu jedem Zeitpunkt der HF-Schwingung entweder vollständig leitet, oder vollständig gesperrt ist. Bei einigen Millivolt HF ist die Erfüllung dieser Bedingung meist problemlos, jedoch am Ausgang eines Sendeverstärkers mit einigen Watt sind dafür "unhandlich" hohe Spannungen notwendig.
HF-Stromfluss
PIN-Dioden enthalten eine zusätzliche ("Intrinsic" genannte) Schicht, mit relativ wenigen beweglichen Ladungsträgern. Diese Schicht bewirkt, daß der Auf- und Abbau der Sperrschicht eine gewisse Zeit benötigt. Damit wird der Effekt erreicht, daß die Sperrschicht praktisch nicht von der Hochfrequenz beeinflußt wird. Erst, wenn die Intrinsic-Schicht durch einen kontinuierlich fließenden Gleichstrom mit Ladungsträgern "überschwemmt" wurde, kann auch HF durch die Diode fließen (ohne dabei gleichgerichtet zu werden).
 
Im Prinzip sind PIN-Dioden "gezielt verlangsamte" Dioden. Da sich eine ähnliche zusätzliche Schicht (hierbei allerdings zur Erhöhung der Sperrspannung) auch in manchen Dioden zur Netzgleichrichtung (z.B. 1N4007) enthalten ist, zweckentfremden mache Bastler auch gerne diese wesentlich preisgünstigeren Bauteile zum Schalten von HF. Die recht hohe Sperrschichtkapazität verhindert jedoch oftmals die Anwendung von Netzgleichrichtern als PIN-Dioden.

Die Entlarvung des Fehlers

Als der Fehler (selbstverständlich mitten in einem QSO) wieder auftrat, konnte ich mit Hilfe meiner Messleitungen weitere Erkenntnisse gewinnen: Nun lagen im Sendebetrieb an "A" und "B" etwa 8.8V, und an "C" weniger als 0.1V, was darauf schließen lässt, daß trotz Gleichspannung an der PIN-Diode die Diode nicht leitet, und was auch die fehlende HF am Ausgang erklären würde. Da ich die beiden Drosseln direkt an den Anschlüssdrähten der Diode angelötet hatte, war klar, daß ich mich nach einer neuen Diode umsehen durfte, denn eine "madigen" Lötstelle konnte es somit nicht mehr sein. Also begab ich mich zu meinen örtlichen Amateuerfunkhändler, und frage nach einem Ersatzteil. Die Antwort war sehr ernüchternd: "Das Gerät und die Ersatzteile dafür sind abgekündigt und nicht mehr erhältlich. Und die fragliche PIN-Diode wurde auch in keinem anderen Gerät verbaut." Na toll! Aber zumindest hat niemand versucht, mir ein neues Funkgerät aufzuschwatzen...

Der Anfang der Odysee

Eine Recherche nach dem benötigten Bauteil war auch sehr ernüchternd: Ein Händler in den USA bot es (sogar recht preisgünstig) an, wollte jedoch zur Bezahlung nur eine Kreditkarte akzeptieren, worauf ich mich nicht einliess. Seltsamerweise gab es selbst bei den asiatischen Anbietern niemanden, der diese Diode hatte. Also wälzte ich tagelang Vergleichs- und Diodenlisten, wobei mir auffiel, daß oftmals die PIN-Dioden gar nicht als Solche vermerkt sind. Eine Anfrage auf den örtlichen Relais und einem Forum bescheerten mir zusätzlich einige Typenbezeichnungen. Danach begann die Suche nach entsprechenden Datenblättern, die sich auch als "nicht gerade trivial und ergiebig" herausstellte. Was sind das für seltsame Bauteile, und warum scheint es nur sehr wenig Informationen darüber zu geben? Da die Typenbezeichnungen auch oftmals "normale" Schaltdioden beschrieben, regte sich in mir der Verdacht, daß auch das Wissen über diese Teile "recht dünn gesäht" ist -> Genau aus diesem Grund habe ich auch diese Seite hier erstellt... Auch die gefundenen Datenblätter schwiegen sich über die "maximale HF-Transferleistung" aus, und gaben nur den maximalen Steuerstrom an. "Ausbeute" nach etwa einem Monat (das Funkgerät funktionierte ja noch meistens): Eine Handvoll von Typenbezeichnungen, die als Ersatztypen brauchbar erschienen, eine Unmenge von Typenbezeichnungen in der "35V/100mA"-Klasse, und ein "Care-Brief" von einem freundlichen OM mit einigen BA282 ...

Testaufbauten und Messungen

Da ich nun über einige Testexemplare (BA282) verfügte, und die Antworten auf einige Anfragen wohl noch etwas Zeit benötigten, baute ich eine kleine Testschaltung auf, um herauszufinden, welche HF-Leistung einer solchen Diode zuzumuten ist. Auf einigen Webseiten, die den Bau von PA-Schaltungen für VHF beschrieben, hatte ich mehrfach Konstruktionen mit mehreren "kleineren" PIN-Dioden entdeckt, die teilweise einfach parallel geschaltet wurden (→ wie grausig), um die HF umzuschalten. Erste Erkenntnis: Die kleinen (40-60V?) Keramikkondensatoren sind bei 145MHz fast genau so unbrauchbar wie die Drosseln in Form eines Widerstandes. Also erfolgte ein Umbau auf 500V-Keramikscheiben und Luftspulen. Als Hochfrequenzquelle verwendete ich ein Handfunkgerät, und als "Messeinrichtung" zwei 20dB-Abschwächer und einen Spektrumanalyzer. Die Diagramme zeigen einerseits die Dämpfung der Testschaltung bei verschiedenen Leistungen, und andererseits die daraus ermittelte Verlustleistung. Es wird recht deutlich, daß es sicher nicht ratsam wäre, diesen Dioden deutlich mehr als 5W zuzumuten, obwohl sie sich bei den Versuchen noch nicht nennenswert erwärmten. Vielleicht wäre mit etwas mehr Steuerstrom noch eine geringe Verbesserung möglich, aber dieses Ergebnis bestätigte etwa meine Schätzung in Bezug auf die mögliche HF-Belastbarkeit. Also brauche ich auf jeden Fall mehrere dieser Dioden, um das defekte Teil im Funkgerät zu ersetzen.
Erste Testschaltung
BA282 dB vs If
BA282 Pv vs If
Zweite Testschaltung
Um eine geringere Dämpfung zu erreichen, müssen wohl mehrere "HF-Strecken" parallel geschaltet werden. Nur ist die direkte Parallelschaltung von Dioden (selbst bei ausgemessenen Exemplaren) eine recht heikle Angelegenheit → Fließt in einer der Dioden auch nur ein klein wenig mehr Strom, ist in dieser Diode die Verlustleistung höher, was eine etwas stärkere Erwärmung zur Folge hat. Durch die Erwärmung verringert sich der Widerstand der Diode, was eine weitere Erhöhung des Stromes zur Folge hat, ... Allgemein wird dieser Effekt durch Reihenwiderstände verringert, doch diese lägen dann auch im HF-Zweig, und würden eine weitere Dämpfung bewirken. Also habe ich über eine Schaltungsvariante nachgedacht, bei der die HF-Zweige parallel liegen, der Steuerstrom jedoch durch eine Reihenschaltung der Dioden fließt. Das Ergebnis ist die nebenstehende Konstruktion. Im ersten Entwurf waren an den Positionen von D2 und D4 Induktivitäten vorgesehen. Auf den Hinweis eines OMs hin habe ich mir die Schaltung noch einmal genauer angesehen, und erst dann erkannt, daß es für die HF ja völlig egal ist, in welcher Richtung sie durch eine durchgesteuerte PIN-Diode fließt ...
 
Bei dieser Schaltung habe ich Messungen mit Steuerströmen von 1mA bis 50mA, und HF-Leistungen von 2W, 5W, 10W und 20W vorgenommen. Da ich dabei an die Auflösungsgrenze meines Messequipments von 0.1-0.2dB gestoßen, sodaß die Messdiagramme nur sehr wenige "Treppenstufen" zeigten (und daher hier fehlen). In allen Leistungsstufen war ab 10mA Steuerstrom keine Dämpfung mehr messbar (d.h. < 0.1dB). Für die Messungen mit 10W und 20W habe ich das IC-821 als HF-Quelle verwendet, welches kurz nach den Messungen mal wieder ausfiel, und sich auch an den folgenden Tagen (wie sonst immer) nicht mehr "erholte".

Der Umbau

Da nun das Funkgerät anscheinend "dauerdefekt" war, blieb mir kaum eine andere Möglichkeit, als die defekte Diode durch die gefundene Schaltung zu ersetzen. Dabei hatte ich geplant, die Zuleitungen für den Steuerstrom und die HF (wie in der Testschaltung) separat auszuführen. Dazu hätte ich jedoch die Leiterplatte ausbauen müssen, um an deren Lötseite heran zu kommen. Dabei wäre das Ablöten und der Ausbau des HF-Hybrids und der Ausgangsbuchse notwendig gewesen, was ich mir (und dem Gerät) möglichst ersparen wollte, um nicht ggf. neue potentielle Fehlerquellen einzubauen. Also änderte ich meine Schaltung so ab, daß ich nur noch die beiden Pins der defekten PIN-Diode als Anschlußpunkte benötigte, und begann mit der "Zitterpartie": Defekte Diode herausknipsen, zwei Drähte an die verbliebenen Anschlüsse anlöten, und dann ein Bauteil nach dem anderen zurechtbiegen und vorsichtig anlöten. Da die Drahtenden möglichst kurz werden sollten, musste die Löterei "kurz und heiss" erfolgen, damit sich weder die Bauteile zu sehr erwärmten, noch sich die Lötstellen auf der Unterseite der Leiterplatte lösten. Als alle Teile verbaut waren, blieb nur noch das Zusammenschrauben des Gerätes und die Hoffnung, daß der erste Funktionstest positiv verlaufen würde ...
Ersatzschaltung
Eingebaute Ersatzschaltung

Aktueller Stand

Bisher scheint die "Ersatzschaltung" gut zu funktionieren, aber ich muss auch zugeben, daß ich die Konstruktion auch noch nicht mit der maximal möglichen Leistung des IC-821 betrieben habe -> Bisher reichten ca. 10W Leistung immer aus ... Da ich noch nicht auf alle Anfragen nach PIN-Dioden "etwas höherer Leistung", die auch für eine Privatperson in geringen Stückzahlen (und zu einem erträglichen Preis incl. Bearbeitungs- und Versandkosten) erhältlich sind, eine Antwort erhalten habe, bleibt noch die Hoffnung, solch ein (exotisches?) Bauteil irgendwo zu bekommen.

Das "Material"

Hier noch ein paar Informationen, die ich im Laufe meiner bisherigen "Odysee" gefunden habe, und die für "Leidensgenossen" möglicherweise nützlich sein könnten:
 
Typenbezeichnungen: BXY42, UM9957, UM9401, und L8103.
 
Einige dieser seltenen Bauteile sind möglicherweise bei Electronicpool erhältlich. Dort hätte ich fast eine MI407 bestellt, wenn ich denn jemals die bei der Registrierungsprozedur angekündigte EMail mit dem Link zur Aktivierung der Registrierung erhalten hätte...

Update (10.4.2017)

Durch den Hinweis eines freundlichen OMs stieß ich noch auf die MA4P1250 die bei Box73 tatsächlich erhältlich ist.


Für die Richtigkeit und Allgemeingültigkeit dieser Informationen kann ich keinerlei Verantwortung übernehmen. Sie dienen ausschließlich der Information über PIN-Dioden. Ich verkaufe weder PIN-Dioden, noch nehme ich Reparaturaufträge entgegen → Ich arbeite ausschließlich "für den Eigenbedarf". "Zweckdienliche Hinweise" auf Bauteilbezeichnungen und ggf. Händler/Shops (möglichst mit Link) nehme ich natürlich gerne entgegen, und werde sie hier ggf. auch einfügen.


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HTML und Design: DK1RM erstellt: 24.10.2016 - letzte Änderung: 10.4.2017